Eine ferne und flüchtige Welt.

Chronik zu Sensationen im Alleingang 2

Über den Skandal rund um Sensationen im Alleingang 2 und die Gründe für die darauf folgenden Kontroversen wurde schon vor Jahren ausführlich berichtet. Für meine Zwecke lohnt nur noch eine kurze Zusammenstellung der divergierenden Positionen. Auch wenn das meiste in informierten Krei­sen weitgehend bekannt ist, sehe ich es doch als meine Pflicht, die Debatte hier in Erinnerung zu rufen und das insbesondere deshalb, weil sich nicht nur zwei Gruppen gegenüberstanden, aufgeteilt in Pro und Contra, sondern bis jetzt nicht ganz klar war, worüber eigentlich gesprochen wurde. Die meisten derer, die sich zu Wort meldeten, kannten die Sensationen nur vom Hörensagen, also aus den Erzählungen und Berichten derer, die dabei waren oder jemanden kannten, der jemanden kannte…, was sie nicht hinderte, Stellung zu beziehen, da, wie sie meinten, es nicht um ein singuläres Ereignis, sondern um eine generelle Bedrohung der Lage der Kunst ginge, die durch die Sensationen in eine gefährliche Schieflage gebracht worden sei.

Die einen meinten, es sei der eindeutig feststellbare faschistische Zugang, der den Widerstand auf den Plan rufen musste: Die Bevormundung, wenn nicht gar Entmündigung des Besuchers durch ein striktes Regelwerk, die Konfrontation des Einzelnen mit unberechenbaren Situationen, seine Ausliefe­rung an kunstfremde Teilnehmer, all das sei mit der Kunst als letzter geschützter Bastion der Gesell­schaft nicht zu vereinbaren. Wenn schon sonst nirgends, so müsste es doch zumindest im Kunst­be­trieb möglich sein, befreit von Vorschriften die Souveränität und Integrität des Besuchers zu schützen und zu wahren. Diese sozialen und politischen Grundversicherungen aber seien aufs perfideste an­ge­grif­fen und auf dem Opfertisch des Narzissmus der Veranstalter geschlachtet worden. Die Freiheit des Betrachters in voller Kenntnis der Umstände selbst zu entscheiden, welcher Situation er sich aus­setzen möchte, sei im pervertierten Namen der Freiheit der Kunst auf das allerschändlichste hinter­gangen worden.

Andere wiederum beklagten die völlige Beliebigkeit der Veranstaltung. In erster Linie wurden die gänzlich unterschiedlichen, thematisch unzusammenhängenden Elemente verurteilt, die jegliche kuratorische Handschrift vermissen ließen und daher keinerlei bedeutungshafte Aussage zutage förderten. Der den Besuchern verwehrte Überblick sei billiger dramaturgischer Effekt die kura­tori­sche Unbedarftheit zu übertünchen, der Verzicht auf jegliche Vermittlung führe den Besucher nur vor ohne ihn mit einer Erklärung, was denn nun mit Sensationen im Alleingang 2 gemeint sei, aus­zu­stat­ten. Damit aber überfordere man auf unhaltbar arrogante Art und Weise das tatsächliche wie po­tenzielle Kunstpublikum, anstatt ihm einen Zugang zur Kunst allererst zu verschaffen. Man könne nicht voraussetzen, dass Kunst erklärungs- und vermittlungslos, ohne kuratorische Theorie ver­stan­den werden könne. Die Zusammenhanglosigkeit der Vorführungen sei ein Rückfall in vor­kura­to­ri­sche Zeiten und bedrohe das durch mühselige Vermittlungsarbeiten eben erst eroberte gesellschaftliche Akzeptanzterritorium der Kunst.

Eine dritte Gruppe wiederum äußerte sich besorgt über den sensationellen, die Gesellschaft des Spektakels allzu willfährig bedienenden Zugang. Ohne jeglichen Ernst sei hier Aktionismus betrieben worden, der tiefere Gründung vermissen ließ: Wo waren die gesellschaftlich relevanten Themen, wo die Auseinandersetzung mit den Unterdrückten und Bedürftigen der Welt? Es wurde so getan, hieß es, als sei die Kunst ein Erlebnisfaktor, ohne alle Pflicht zur Kritik an den herrschenden Zuständen.

Die letzten, die zu erwähnen ich mich noch genötigt sehe, wiesen schließlich darauf hin, dass weder die Kunst noch die Kritik etwas Neues seien, die Debatte gänzlich überflüssig, da alles bereits da gewesen sei und daher der Besprechung unwürdig. Überhaupt sei alles eine Modeerscheinung und sie würden erst darauf warten, dass endlich tatsächlich Revolutionäres, mit den klassischen Avant­garden Vergleichbares oder besser noch: Unvergleichbares, wieder in die Kunst Einzug hielte, so lange aber würden sie das Schweigen Duchamps, das freilich auch überbewertet wird, allem anderen vorziehen, diesmal aber beredt.

Ich hoffe, hier die wesentlichsten Stellungnahmen sachgerecht zusammengefasst zu haben und weise nur noch darauf hin, dass die wenigen, die versuchten, Sensationen im Alleingang 2 Positives abzugewinnen, sich zu keiner Gruppe formierten und sich damit beschieden, oben genannten Kritikern ab und zu zu widersprechen.

Inmitten der aufgeheizten, den Kulturbetrieb spaltenden Diskussion zu Sensationen im Alleingang 2 wurde eiligst zur Klärung der Verhältnisse ein Symposium einberufen, zu dem man namhafte Ex­per­ten, in erster Linie Philosophen, versammelte, um sie über den möglichen Ernst der Lage berat­schla­gen zu lassen. Hier nun kommt meine Rolle ins Spiel. Die geladenen Gäste erbaten sich aus, ihr Zusammentreffen nicht öffentlich, sondern geheim stattfinden zu lassen. Das Thema sei zu sensibel, um vor der erregten Öffentlichkeit diskutiert zu werden, auch seien sie sich ihrer Einschätzungen ganz und gar unsicher und würden es vorziehen, sich erst im kleinstmöglichen Rahmen Meinungen bilden zu können. Es sei zu riskant, die zahlreichen heißen Eisen sofort medial durchbrennen zu lassen, zumal die Standpunkte ungeklärt und damit schwer vermittelbar seien.

Nach langen Überlegungen legten sich die Symposiumsteilnehmer auf drei Bedingungen fest, unter denen sie bereit seien, Sensationen im Alleingang 2 zu besprechen: 1. Es gibt keine Teilnehmer. Als Unbeteiligter soll nur ein Chronist zugelassen werden, der von den Gesprächen nach Ablauf einer Zweijahresfrist (man wollte sicher gehen, dass bereits genügend Gras über die Sache gewachsen ist) berichten darf. 2. Dem Chronisten werden keine Aufzeichnungsmöglichkeiten gegeben, er soll viel­mehr das berichten, woran er sich nach Ablauf der Frist erinnert. 3. Die Experten wollen anonym blei­ben und da sich im Betrieb ja alle kennen, beschlossen sie, füreinander unsicht- und unerkennbar zu erscheinen.

Ich wurde durch das Los zum Chronisten der Tagung bestimmt und nach Ablauf der Zweijahresfrist melde ich mich nun mit meinem Bericht zu Wort. Ich habe mich bemüht, den Anforderungen des Berichterstatters unter diesen erschwerten Bedingungen gerecht zu werden und erbitte Nachsicht angesichts meiner schwierigen Aufgabe. Ich muss mich auf mein Gedächtnis verlassen, das sich anstrengte, das Wesentliche der vorgetragenen Standpunkte zu behalten, was im Verlauf des Sym­po­siums immer schwieriger wurde, da die Teilnehmenden sich oftmals im Kreise drehten, zu tanzen begannen, sich Ausschweifungen hingaben und generell jegliche Disziplin vermissen ließen.

Da durch den Ausschluss jeglicher Übertragungs- und Aufnahmemedien es für die Teilnehmenden unmöglich war, ihre jeweiligen Beiträge mitzuverfolgen und nur ich, der Chronist, alles hören sollte, verblüfften mich als einzigen die Wiederholungen und Ähnlichkeiten der Äußerungen. Es kann aber auch sein, dass manche Schleifen und Sprünge den Tücken meiner Erinnerung zuzuschreiben sind. Die letzten beiden Jahre, die ich ausschließlich dem Memorieren des Gehörten und Gesehenen wid­mete, um nun endlich zu Papier zu bringen, was mich allein so lange begleitete, waren die ent­behrungsreichsten und ich bin nicht sicher, ob ich noch derselbe bin wie damals. Viele Zustände schlimmster Verwirrtheit haben mich seitdem heimgesucht, ja, manchmal war ich nicht sicher, ob diese ganze Tagung nicht eigentlich nur für mich stattgefunden hat..

Trotz allem habe ich gewissenhaft versucht, das Vernommene zu ordnen und wahrheitsgetreu wie­der­zu­geben. Ich habe zum leichteren Verständnis des Lesers den Verlauf der einzelnen Etappen darzustellen und die wichtigsten Beiträge zu erfassen gesucht. Ich muss gestehen, dass vieles sich meinem Verständnis entzieht und auch die Teilnehmenden oftmals den Anschein erweckten, nicht mehr recht zu wissen, worum sie sich drehten. Die Sensationen im Alleingang 2 waren ein flüchtiges Ereignis und keiner schien sich so recht an dasselbe zu erinnern. Alle begannen an unters­chiedl­ich­en Punkten, manches kreuzte sich und vieles verlor sich wieder..

* * *

Es ist für den Verlauf des Symposiums nicht untypisch, dass ich nun meinen eigentlichen Bericht gewissermaßen mit einer Störung beginnen lassen muss. Zunächst betrat ein Referent die Bühne, der sich die Gestalt eines älteren Herrn mit zerknautschtem Gesicht und unordentlichem Äußeren als Pappfigur vor seinen Körper geschnallt hatte. Er begann zu deklamieren:

Es gibt eine Erfahrung mit der Kunst, die zunächst und zumeist allein gemacht wird: die Lektüre. Völlig selbstverständlich ist es, dass ein Buch allein gelesen wird; in Ruhe, ungestört, konzentriert auf das, was der Text/der Autor (diese Unschärfe interessiert hier nicht) erzählen will. Völlig selbstverständlich ist es auch, dass man, so man etwas davon »haben« möchte, sich etwas geben lassen möchte, sich auf den Text einzulassen hat, ihm also erstmal folgt und selbstverständlich vor der Lektüre nicht wissen kann, wohin sie einen geführt haben wird. Will man etwas von einem Text (immer verstanden: als sich etwas geben lassen, etwas zulassen, sich auf etwas einlassen), bedarf es einer Weise der hingebenden Auf­merksamkeit oder der aufmerksamen Hingabe. So. Jetzt sind wir bei der Lektüre und laufen Gefahr, ein Plädoyer für ihre Gefährlichkeit, Gewaltsamkeit und ganz und gar nicht Harmlosigkeit zu halten. Warum scheint das abwegig?

Bereits hier brach der Sprecher ab und holte mehrere Schilder unter seinem Rednerpult hervor. Folgende Fragen, die ich mich bemüht habe zu memorieren, stellte er in den Raum:

Kann behauptet werden, die Sensationen im Alleingang seien ein Text, den man lesen müsste?

Würde eine solche Behauptung die Sensationen vergewaltigen?

Ihnen etwas antun, zu dem sie ganz und gar nicht eingeladen haben?

Ihnen eine Sensation unterstellen, die nicht auf dem Angebot stand?

Würde ich mit der Behauptung, sie seien ein Text, den man lesen müsste, die Sensationen vernichten, also ihrer Funktion berauben?

Funktionieren sie nicht mehr, wenn man sie als Lektüre versteht? Wäre sie zu lesen eine Sabotage?

All diese Fragen beantwortete der Referent nicht. Er stellte sie nur im Raum auf und dazu ein Ton­band­gerät an, auf dem eine weibliche Stimme eher lustlos vor sich hin leierte. Danach verschwand er. Zu hören war:

Sensationen im Alleingang funktionieren. Das Konzept geht auf. Was heißt das? Erstmal, dass sich kaum jemand weigert, mitzumachen; alle halten sich weitgehend an die Spielregeln, es kommt nicht zu gröbe­ren Aufständen gegen die Vorgaben: Einer allein, kein re-entry. Es ist einsichtig, dass es restrictions braucht, um die Sensationen mitmachen zu können. Damit es funktioniert, musst du dich an das halten, was ich dir sage. Sonst klappt das Spiel nicht. Das Spiel funktioniert so: Du stellst dich an, du kommst an die Reihe, du steigst in ein Taxi. Der Fahrer bringt dich irgendwo hin, dort passiert etwas. Du steigst wieder ins Taxi, der Fahrer bringt dich zurück. Dort triffst du auf jene, die schon irgendwo waren und diejenigen, die noch warten. Du wirst gefragt, was du erlebt hast. Du beschreibst. Du lässt dir erzählen, wo die anderen waren und was dort war. In diesem ersten Moment des Erzählens und erzählt-Bekom­mens noch keine Einschätzung oder Bewertung der Qualität. Nur was und wie es ungefähr war. Die Funktion der Sensation: Das, worüber berichtet wird, das wie berichtet wird, das dass berichtet wird? Sensationen im Alleingang. Eigentlich bin ich bei der Sensation und ihrer Funktion, beim Versuch, die Sensation zu singularisieren, obwohl der Titel ganz deutlich einen Plural verspricht. Verführt der Allein­gang zum Glauben, mir würde hier meine eigene Sensation angeboten? Suggeriert der Alleingang, dass es um mich und eine Sensation für mich ginge? Unteilbar mit allen anderen? Man muss den Weg noch einmal wiederholen: Zuerst ist man mit anderen, im Zwischenraum; dann steigt man in ein Taxi – allein; der Fahrer (also doch nicht allein?) bringt einen zu einem Ort. Dort ist etwas, mit dem man allein ist. Das Taxi (also der Fahrer) bringt einen zurück zu dem Ort, wo auch die anderen sind. Sensationen im Allein­gang. Wie funktionieren sie? Stehen sie im Plural, weil es sieben Stationen gibt, sieben Künstler, sieben Wege, sieben »Arbeiten«? Sind die Sensationen die Orte, die besucht werden? Wo sind die Sen­sa­tio­nen? Wo sind die Sen­sa­tio­nen? Funktioniert das Konzept so, dass ich meine eigene Sensation erfahre, mit meiner Sensation allein bin, es allein meine Sensation ist und da es viele von diesen »Ichs« gibt und mehrere Stationen, ergibt das einen Plural? Was wäre, wenn es nur einen Alleingang gäbe? Würden dann die Sensationen noch funktionieren?

Hier stürmte eine hinter zahllosen Schleiern verhüllte Gestalt die Bühne, drosch mit einem Vorschlag­hammer auf das Tonbandgerät ein, die Stimme erstarb, der Deckel sprang auf, das Band aus dem Gerät auf den Boden, wo die Gestalt es wie von Sinnen bis zur Unkenntlichkeit zertrampelte.

Anschließend ordnete sie ihre Kleider und begann mit ruhiger, von den vielen Stoffschichten etwas abgedunkelter Stimme zu sprechen, unüberhörbar war ein starker französischer Akzent und eine gewisse Lust an der Provokation färbte das tiefe, aber angenehme Timbre.

Sie sagte ungefähr Folgendes:

Sensationen im Alleingang verführt zur Beachtung des Alleingangs, der wird die Sensation selbst und ihr Plural bleibt auf der Strecke. Dass man sich zu vereinzeln hat, wie eine der Grundregeln lautet, dass man also nur allein unterwegs sein darf bei dieser Kunstaktion, wird schnell als deren wahrer Aktionis­mus ausgelegt. Das betrifft einen ganz unmittelbar, dass man da nun allein durch soll. Nicht so wie bei den meisten anderen (Kunst)Veranstaltungen, die man – selbst, wenn man allein ist – nicht unbedingt auch allein besucht. Die vor allem in der Regel nicht so gestaltet sind, dass sie eine Vereinzelung als Grundbedingung vorsehen würden. Diese »Individualisierung des Besuchers« kann nun wohlwollend-kennerisch in die Bemühungen der zeitgenössischen Kunst um Partizipation eingeordnet werden oder aber es wird die »autoritäre Geste«, die »Vorschriften« macht und Regeln aufstellt, denen beim Besuch zu gehorchen ist, kritisiert. Über all diese Dinge lässt sich gewiss trefflich streiten, allein, es ist uninte­res­sant. Einmal mehr richtet die Reflexion ihre Suchscheinwerfer auf die Frage nach der Sozialversicherung des Einzelnen: Darf man das? Vorschriften machen? Im Zweifelsfall eher nicht, es rührt an die Sou­veräni­tät und Integrität der Person. Ich werde darauf zurückkommen.

Die Sache mit dem Alleingang ist zunächst ganz einfach: Sensationen würden nicht so funktionieren, ginge es tatsächlich um den einen Einzelnen. Gerade das zeigt, dass die Entscheidung, nur einen durchzulassen, keineswegs ein Aktionismus ist, sondern die Aktion, die Handlung, der Plot selbst. Wer glaubt, es ginge darum, dass nun einer allein mit irgendeiner Situation konfrontiert werden soll, ist zu schnell bei der Sache. Immer steht dieses Persönliche im Weg, dabei schickt man es eh schon mit dem Taxi weg (Ich ruf dir eins, geh endlich …).

Sensationen sind ein Plural, aber keine Summe. Weder die Summe der beteiligten vereinzelten Besucher, noch die Summe der Erfahrungen der beteiligten vereinzelten Besucher, noch die Summe der Arbeiten der beteiligten Künstler. Sensationen sind eine Serie, die Wiederholungen der Durchgänge der Ver­einzel­ten, die als Einzelne entgegen jeder vorschnellen Annahme völlig unwichtig sind. Ebenso unwichtig wie die einzelnen Arbeiten, die schon gar nicht mit Sensationen verwechselt werden sollten. Sensationen im Alleingang sind serielle Manifestationen oder die Manifestation der Serie. Sie sind die Durchgänge und der vereinzelte Besucher ist nichts anderes als die Bewegung oder die Geschwindigkeit, die Linie, die gezogen wird, der Pfeil, der durchzischt, der unbestimmte Verlauf oder die diffuse Dauer. Weder wird er wichtig genommen, noch wird er erniedrigt, es geht um Kunst und nicht um Didaktik. Ob da einer eine sensationelle Erfahrung macht oder nicht, ist völlig unerheblich. Auch geht es nicht um den einen Ein­zel­nen, der versteht, dass es um ihn nicht geht. Wiewohl es ihn als Idee geben muss, damit die Reflexion sich ablenken lässt und sich endlich irgendwo erbricht. Aber das Gegenüber der Reflexion ist nicht die Erfahrung. Zumindest nicht die Erfahrung, die man machen kann und dann hat und in den Lebenslauf einträgt, damit man was erlebt hat im Leben und es läuft wie geschmiert. Die Erfahrung ist es nicht, eher schon die, die erfährt, dass es nicht um diese Erfahrung geht.

An dieser Stelle wurde die französische Schleiergestalt vom Podium verdrängt. Eine ältere Dame (was an ihren Händen, die etwas zittrig die mitgebrachten Notizen hielten, erkennbar war, über ihrem Gesicht trug sie eine Karnevalsmaske), dankte der Flüchtenden mit etwas zu ausgesuchter Höf­lich­keit für die Ausführungen, meinte aber sogleich, sie selbst könne das Gesagte besser zur Darstellung zu bringen. Erst einmal gehe es nämlich darum, nicht dauernd über Sensationen im Alleingang zu reden, sondern vielmehr zu ihnen, als ob sie noch da wären, da ja keiner so genau sagen könnte, wo sie denn waren oder eben noch sind. Reden zu.. sei der Versuch, dem Vortrag seinen feststellenden, festhaltenden Charakter zu nehmen oder ihn zumindest zu reduzieren, man müsse das Vortragen zu einer Flüchtigkeit zwingen, die sich an nichts klammert: Nicht das Gesehene, Erlebte festhält, son­dern sich von ihm abstößt, sich verflüchtigt, irgendwohin, wo die Zusammenhänge brüchig werden, die Verbindungen flüchtig und wo nicht homogenisiert und der Politik der Wahrheit unterworfen wird, was nur als Vielerlei faktisch existiert.

Das Reden zu.. als Alleingang verstehen, der nicht die Wiederholung eines Ausstellungsbesuchs oder einer »Kunsterfahrung« im weiteren Sinn ist; auch nicht Rezension, Kritik oder Würdigung. Vielmehr der Versuch, eine Geste aufzugreifen, fortzusetzen, als die Dinge auf den Punkt zu bringen: Nicht Herr werden über das Vielerlei, lieber ein anderes Geschlecht im Schreiben suchen.. rief sie schon fast emphatisch, bevor sie mit leiser und etwas brüchiger Stimme weiter ausführte:

Wer durch Sensationen durchgeht, ist völlig gleichgültig, dass einer durchgeht, ist essentiell. Nicht der Einzelne, die Vereinzelung ist die radikale Indifferenz der Sensationen. Sensationen ist es gleichgültig, wer sie macht. Ganz genau genommen: Sowohl, wer sie herstellt, als auch wer sie durchmacht. Sen­sa­tionen sind unpersönlich, der Einzelne ist als Person unerheblich. Sie ist eine Funktion (in) der Serie. Ob ihr gefällt, was sie sieht, ob sie bereichert oder verarmt daraus hervorgeht, stört die Funktion der Sensa­tionen nicht im geringsten. Und genau deswegen können Sensationen nur im Alleingang durchgemacht werden: Weil es um die Person nicht geht. Damit das klar werden kann, damit deutlich wird, dass es um die Entpersönlichung geht, um die Reduktion der Person des Besuchers zu einer Funktion (nicht zu einer Quote, im Gegenteil!), gibt es den Alleingang. Es heißt Sensationen im Alleingang, nicht: Eine Sen­sation pro Kopf! Der Einzelne ist Irgendwer, irgendwer, der durchgeht, damit Sensationen sich abspielen können. Irgendwer ist die Funktion der Sensationen. Sensationen sind nicht für den Einzelnen, sie sind für irgendwen, für wen-auch-immer. Sie nehmen den Einzelnen nicht wahr (als Subjekt, Person, Charak­ter), vielleicht befallen sie ihn, überfallen ihn und besetzen ihn ohne Ansehen der Person (Sensationen sind gesichtslos, sie gehören nicht zu einer Person, sie drücken sich nicht auf ihr aus).

Sensationen sind kein Angebot, sie stehen weder zum Vergleich noch zur Auswahl. Sie sind überhaupt nicht dort, wo man sie vermutet, so aufdringlich man sich auch um sie reißen mag. Sensationen sind Fallen, in die man geht in der Gier was zu erleben (Monsieur le Vivisecteur!). Nur sind sie kein Erlebnis, nicht mal ein Ersatzmittel. Sie locken an, damit sie gemacht werden, aber gemacht werden können sie nicht. Sie sind weder im Kopf des Künstlers noch in dem des Besuchers. Wo sie einfahren und wie sie sich äußern, ist unbestimmt und unbestimmbar – für alle Vereinzelten. Da sie nicht gemacht werden können, ist unerheblich, wer sie macht. Nicht, dass sie nicht gemacht werden müssen, sie müssen un­be­dingt und bedingungslos gemacht werden, und zwar um das bedingungslose und unbedingte Aus­setz­en des Einzelnen. Nicht der Einzelne setzt sich irgendwas Tollem, Abenteuerlichem, Sensationellem aus, sondern er setzt sich aus, als einzelne Person setzt er aus, er stellt sich zurück in die Reihe oder Serie der Vereinzelten, um ein Irgendwer-werden willen, das als Funktion für Sensationen eintritt (sie opfert sich deswegen aber nicht, sie lässt zu, sie lässt geschehen..).

Sensationen sind nicht dort draußen, wo man hinfährt, sie sind auch nicht dort, wo man sich wieder ver­sammelt, sie sind nicht einmal in dem Kreislauf des Ablaufs oder der zeitlich feststellbaren Dauer des Abends. Sie sind irgendwo und für irgendwen. Nicht ortlos, aber auch nicht lokalisierbar. Man könnte sagen, sie schwingen, fliegen und sausen oder sie sind die Spannung, das Knistern des Ereignisses. Nicht aber des Ereignisses als fixierte Dauer des Ablaufs, sondern des Ereignisses, das unbestimmt lässt, ob und wann es kommt. Sie sind auch irgendwann.

Die alte Dame mit der Maske entschuldigte sich an dieser Stelle, dass es ihr nicht möglich sei, hier weiterzusprechen, ihre Stimme versage bereits, aber sie sei der Meinung, das Wesentlichste noch zur Sprache gebracht zu haben. Sie empfahl als nachfolgenden Sprecher einen jungen Studenten, der in ihrem Sinne weitere Ausführungen vornehmen werde, auch wenn sie nicht genau wisse, in welche Richtung diese gehen würden. Dann trat sie ab.

Der junge Mann, ganz in Militäruniform, das Gesicht mit Tarnfarben geschminkt, begab sich sichtlich schüchtern und aufgeregt ans Podium. Er versteckte sich zunächst hinter einem dreifach laut de­kla­mierten Zitat, dessen Ursprung er nicht preisgab, wohl voraussetzend, dass es bekannt sei:

Wahrheit«. – Wille, Herr zu werden über das Vielerlei der Sensationen.

Wahrheit. – Wille, Herr zu werden über das Vielerlei der Sensationen.

Wahrheit«. – Wille, Herr zu werden über das Vielerlei der Sensationen.

Anschließend versuchte er durch Ordnung zu glänzen, indem er mit einer Aufzählung begann:

Sensationen sind unbestimmt. Das bedeutet zweierlei: 1. Sie sind nicht auf einen Begriff zu bringen und unter einem Herrscherhut zu domestizieren. Außer um den Preis der Wahrheit, die von ihnen abstrahiert, um sich in sich selbst zu kontrahieren und ein konzentriertes Zentrum zu bilden. Dieses Zentrum gibt es bei Sensationen im Alleingang nicht. 2. Sie sind nicht für jemanden bestimmt. Sie richten sich nicht danach aus, wer jemand ist und was sie ausmacht.

Vielleicht sind Sensationen ein Angriff des Unbestimmten auf den Vereinzelten. Eine Waffe gegen die Bestimmtheit und die Bestimmung, was und wo und für wen so eine Kunst-Aktion ist. Eine Waffe ist nur bedingt eine Antwort und ganz bestimmt ist sie keine Definition, wie etwas zu sein hat. Mit einer Waffe kann man Erfahrungen machen und Sensationen im Alleingang haben etwas mit Erfahrung zu tun – aber auf welche Weise?

Der Militärstudent machte eine Kunstpause und blickte gespannt auf mich, den Chronisten, als hätte ausgerechnet ich als Unbeteiligter schon die Antwort auf seine brennende Frage. In dieser Stille wur­de im Tagungssaal plötzlich ein Knacken und Rauschen vernehmbar, ein diffuses, schwer ver­ständ­lich­es und krächzendes Hello? Hello? hörte sich an wie aus einer schlechten Telefonverbindung aus Übersee. Etwas gespenstisch, weil unlokalisierbar aus einem irgendwo im Raum befindlichen Appa­rat hob die Telefonstimme zu sprechen an:

As long as there is something like experience, it is not entirely mine.

Um einiges lauter und nun auf deutsch, aber mit starkem amerikanischem Akzent fuhr sie fort:

So lange es so etwas wie Erfahrung gibt, so lange da irgendetwas ist wie Erfahrung, ist sie nicht allein meine; sie ist etwas, das ich teilen muss, etwas, das mich verbindet, das mich hinausstellt zu anderen, in eine Menge, ein »Wir«, die wir die Erfahrung teilen, anders gewendet: ich bin nicht allein mit ihr. Er­fah­rung ist nie nur »meine«, private, persönliche. Erfahrung ist etwas, irgendetwas, das sich mitteilt; nicht so, dass ich meine Erfahrungen jemandem oder gar jedem verständlich machen müsste, könnte oder sollte, sondern die experience ist etwas, das außerhalb von mir ist, auf das ich nur teilweise und ge­teil­tes Besitzrecht habe. Ich habe sie nie »ganz«, nie nur »für mich«, keinen Anspruch auf völlige An­eig­nung und alleiniges Verfügungsrecht, sondern die Erfahrung stellt den Bezug her zu anderen Er­fah­run­gen. So lange es so etwas wie Erfahrung gibt, gibt es ein Verhältnis und ein Verhalten, eine Haltung (nicht unbedingt einen Halt, maybe the opposite!). Wenn so etwas wie die Erfahrung nie zur Gänze meine ist, ich meine Erfahrung teilen muss, die Erfahrung also eine »unsere« ist, wie nebulös auch im­mer dieses »wir« ist, wie unbekannt, fremd und vielleicht sogar gleichgültig, es ist aufschließend, weil nicht ausschließlich meine. Die Erfahrung, die ich mache, vereinzelt mich nicht, im Gegenteil, solange es sie gibt, ist sie es, die mich des Geteilten und Teilbaren versichert. So lange es so etwas wie Erfahrung gibt.. Eine konkrete Erfahrung? Geteilte Freude, geteiltes Leid? Für die Dauer der Erfahrung? Wie lange dauert eine Erfahrung? Solange wie die Erinnerung an sie? Die bewusste, reflektierte? Oder eine andere Weise der ErInnerung, des Verinnerlichens des Äußerlichen und Geteilten irgendwo, worauf nicht stän­diger Zugriff besteht?

Alles dreht sich darum, die Erfahrung zuerst zu denken und dann die, die sie macht. Alles dreht sich darum, die, die es zu denken gilt – ich, wir, man, irgendwer – von der Erfahrung her zu denken, der Erfahrung des ich-, wir-, man-, irgendwer-seins als Erfahrbares und damit Geteiltes. Ein (unbestimmter Artikel!) Ich, Wir, Man, Irgendwer zu sein erfahren, viele sein erfahren, unbestimmt sein erfahren, in­dif­fe­rent sein erfahren ist die Möglichkeit der Mitteilung und die Mitteilung der Möglichkeit da zu sein. Un­be­stimmt und indirekt. Nicht für mich, höchstens, nein, eher beiläufig und vorläufig: auch für mich. Für aber nicht als Bestimmung, nicht für mich als die Adresse, an die sich die Erfahrung wendet, als habe sie mich auserwählt, sondern für als Richtung, als Bewegung und Ich als möglicher Effekt. Die Erfahrung, die sich vielleicht an mich auch wendet, nicht gezielt, sondern als Zufall, als das, was mich trifft, angeht, anturnt. Erfahrung als das, was mich anschließen lässt, andockt an etwas, das Welt ist. Welt nicht als Summe von Erfahrungen, sondern Welt als Produktionsstätte von Erfahrungen und dieses »Ich«, dieses »meint man mich?« nicht als Voraussetzung, sondern als Effekt.

»Meint man mich?« – das ist eine der Fragen der Sensationen im Alleingang. Wann bin ich gemeint, womit bin ich gemeint, ist das hier für mich? »Meint man mich?« ist etwas völlig Anderes als Teil der Besucher oder eines Publikums sein. Es entreißt der Anonymität der Quote, der Masse, aber nicht zu­gunsten der Individualisierung. Die Frage ist nicht zu beantworten: Wer oder wo wäre die Instanz, die das entscheiden könnte: »Meint man mich?«

»Meint man mich?«, das kann zumindest auf zwei verschiedene Weisen klingen: Als Antwort auf ein freundliches, freundschaftliches angesprochen-Werden, als Offenheit und Bereitschaft einer Aufnahme und Annahme einer möglichen Einladung. Es kann aber, vielleicht sogar gleichzeitig, eine Befürchtung sein, ein Unwille, unter (diesen) Umständen exponiert zu werden. Ein Dastehen als Einzelner: Das furchtsame »Meint man mich?«, das sich zurückziehen möchte statt sich auszusetzen, das den Angriff auf seine Souveränität und Integrität vermutet..

Zwischendurch war die Telefonstimme außerordentlich schlecht zu verstehen, manches musste ich mir eigens zusammenreimen, an dieser Stelle brach die Verbindung nach Übersee allerdings end­gültig ab und wurde durch eine Videoschaltung abgelöst, deren Bildübertragung im Vergleich zur wirklich man­gel­haften Telefonverbindung zu meiner Erleichterung überraschend einwandfrei funk­tionierte. Dennoch war auf dem Bild kein Gesicht zu erkennen, sondern nur ein unglaublich langer, aber kleiner Finger­nagel, der im Takt des Sprechers ständig mitwippte, als wäre er ein Metronom und auf dem in winzigen Buchstaben, kaum leserlich geschrieben stand:

»Il faut parfois se retourner contre ses propres instincts, renoncer à son expérience.«

Der Fingernagelsprecher setzte zu einem langen, immer emphatischer werdenden französischen Monolog an, den ich mir erlaubte, für den Leser getreu den belles infidèles hier zu übersetzen:

Zuweilen muss man seiner Erfahrung entsagen. Zuweilen steht das, was man erfahren hat, im Weg. Zuweilen steht die Erfahrung einer anderen Erfahrung oder einem Anderen der Erfahrung im Weg. Erfahrung schließt ein, sie schließt zusammen, sie konstituiert die Möglichkeit eines »Wir«, einer teilbaren, geteilten Welt (quel d'autre?). Die Erfahrung kann man sich nicht aussuchen, sie trifft einen »dort«, irgendwo in der Welt. Man ist ihr Opfer. Man ist ihr ausgeliefert, sie überredet, diktiert einem zu sein, vor allem: so zu sein, alors: da zu sein, man selbst. Sie ist die Summe der Wegmarken, die einen ausmachen. Man gewinnt Erkenntnisse aus ihr. Aus der Erfahrung heraus handelt man, denkt man, glaubt man, beurteilt man. Die Erfahrung wird einverleibt, man gehorcht der Erfahrung. Die Erfahrung erhält Befehlsgewalt: Denk so, sieh das, achte darauf, mach das nicht noch einmal, versuche das, glaub dem nicht! Die Erfahrung ist ein Steuerungsinstrument: Diese Erfahrung hast du schon gemacht, was du gerade siehst/erfährst, ist so wie.. Sie will vergleichen, sie wird Wille zum Vergleich: Hier siehst du, was du schon gesehen hast. Hier denkst du, was dir schon einmal zu denken gelang, trenn dich nicht davon!

Du wirst ein Ich, das an der Erfahrung klebt. Die Erfahrung will von dir gehalten werden. Werde der Erfahrung nicht untreu, verrate sie nicht, mach, was die Erfahrung dir sagt, aus der Erfahrung heraus denke, handle, glaube, beurteile. Die Erfahrung wird zur Kontrollinstanz: Halte dich daran! Ohne Er­fah­rung wärst du nicht dort, wo du bist. Ohne deine Erfahrung würde dir niemand glauben (credits & credibility). Ohne Erfahrung, die du auf vielfältige Weise mitteilst, ausdrückst, mit dir herumträgst, wärst du nicht, wer du bist und bist du ohne Erfahrung, nehmen wir dich nicht auf. Bleib bei deinen Erfah­run­gen, sie geben dir Aufenthalt, Bleibe, Heimat, sie machen dich erträglich, tragbar, einschätzbar, in­di­vi­duel­ler Teil (Atom, Part, Partei) von etwas, das aus mehr als dir besteht. Wandere nicht aus aus deiner Erfahrungslandschaft, die nicht ganz deine sein kann, sondern unsere ist und die Stimme des »Wir« wird sehr bestimmend: Erzähl uns von deiner Erfahrung, die unsere ist, immer wieder, wiederhole, was dir widerfahren ist, entsage nicht dem, was dich ausmacht, handle nach dem, was du von uns erfährst, dessen Teil du bist und weswegen wir dich schätzen. Bleib! Die Welt ist die Bleibe, der Aufenthalt, woanders wirst du nicht wohnen können, es wird dir niemand eine Stätte anbieten, wenn du nicht vorweisen kannst, was deine Erfahrung ist. Wie willst du deine Verdienste mitteilen, wenn nicht durch deine Erfahrungen, die andere mit dir teilen? Wie willst du dich vergleichbar machen wenn nicht durch die erledigten Erfahrungen, die dich ausbilden? Wie, du willst schweigen darüber? Unpersönlich werden, keine Verbindung haben, dich lösen, dem entsagen, was du erfahren hast? Du schämst dich deiner Erfahrungen? Du schämst dich deiner Zugehörigkeit zur Welt? Sie wird es dir nicht danken, sie ist da sehr empfindlich. Sie wird dir das Dach über dem Kopf wegziehen, sie wird dich im Regen stehen lassen, doch das wirst du nicht mehr erfahren, denn du willst nicht erfahren, du willst nicht teilen, du glaubst, dass du allein sein kannst in einer totalen Vereinzelung, in deinem Alleingang, in dem du dich niemandem mehr verständlich machst. Oder es darauf nicht mehr ankommt. Mit dem Verhältnis verlierst du die Haltung und den Halt sowieso. Wo wirst du bleiben? Als was?

Auf diese Frage folgten schnell geschnittene Bildsequenzen, die leicht psychedelisch anmuteten, untermalt von wunderbarer sphärischer Musik. Ich starrte gebannt auf die tanzenden Bilder, meine Erschöpfung nach angestrengter Konzentration wich einer Gelöst- und Entspanntheit, wie ich sie wohl nie zuvor erlebte. Ich weiß nicht, ob ich irgendwann eingeschlafen bin oder ob es ein anderer, mir bislang nicht bekannter Zustand war, jedenfalls sah ich plötzlich vor meinem inneren Auge eine Gruppe fliegender rosa Elefanten, die in der Luft tanzten und sich in seltsamen For­ma­tio­nen be­weg­ten. Nach einander begannen sie zu singen, jeder abwechselnd ein Wort und es war ein wunder­schöner Gesang, der wohl schönste, den ich je hörte, unwiedergebbar bis auf den Refrain (die einzige Stelle, die sie im Chor vortrugen), den ich mir für immer merken werde. Er lautete:

Alle Kunst wirkt tonisch, mehrt die Kraft, entzündet die Lust (d.h. das Gefühl der Kraft), regt alle die feineren Erinnerungen des Rausches an, – es gibt ein eigenes Gedächtnis, das in solche Zustände hinunterkommt: eine ferne und flüchtige Welt von Sensationen kehrt da zurück …